|  "Tierlaute 
        Wer wollte das aufschreiben" Tatort Geschichte in Heiner Müllers "Mommsens Block"
 Von 
        Benedikt Descourvières
 I. Einleitung 
        Als das neunseitige Langgedicht "Mommsens Block" von Heiner Müller 
        1993 in der vom Berliner Ensemble herausgegebenen Publikation "Drucksache" 
        erschien [1], war es nach längerer Pause die erste 
        literarische Publikation des wohl avanciertesten deutschprachigen Schriftstellers 
        der Gegenwart. Das Langgedicht thematisiert die Hemmung des Geschichtsprofessors 
        Theodor Mommsen (1817 - 1903), sein Standardwerk "Römische Geschichte" 
        um einen weiteren Band zu ergänzen. Die bisherige wissenschaftliche Rezeption 
        von "Mommsens Block" konzentriert sich auf die Dekodierung der zahlreichen 
        historischen Anspielungen im Text - das "Abschiedssaldo der Zitate" 
        [2] - und die naheliegende Parallele zwischen Mommsens 
        und Müllers Schreibhemmung. [3] Helmut Fuhrmann 
        diagnostiziert eine mit dem Ende der 80er Jahre einsetzende "anhaltende 
        Schaffenskrise" bei Müller, die "zugleich eine tiefe Existenzkrise 
        darstellte" [4].
  Tatsächlich 
        liest sich "Mommsens Block", der "letzte große Text, den das 
        Publikum zu seinen [Müllers] Lebzeiten kennenlernen konnte" [5], 
        als resignierender Parforceritt durch Schlachten, Massaker, Ausbeutung, 
        Unterdrückung und Enttäuschung. Wegen der Geschichte, die im Sinne einer 
        Entwicklung humanen Daseins für alle nicht stattgefunden hat und nicht 
        stattfindet, entstehen Schreibhemmung und intellektuelle Produktionsverweigerung 
        als Ausdruck von Enttäuschung. Die Hemmung aktiver, offener und produktiver 
        Tätigkeit wird am Beispiel des nie erschienenen IV. Bandes der "Römischen 
        Geschichte" des berühmten Historikers Theodor Mommsen vorgeführt. Ein 
        nur fragmentarisch lesbarer Ich-Erzähler geht der Frage nach, warum der 
        Historiker Mommsen sein anerkanntes Standardwerk nicht um den vermeintlich 
        fehlenden Band über die Kaiserzeit ergänzt und abgeschlossen hat, da die 
        ersten drei Bände lediglich den Zeitraum der Entstehung und Entwicklung 
        der römischen Republik behandeln. Der IV. Band über die Kaiserzeit wurde 
        zwar häufig angekündigt und lange erwartet, er erschien jedoch nie. [6] 
        Die Bände I-III erschienen erstmals 1854-1856, ein Band V 1888. Nach Mitschriften 
        aus den Vorlesungen Mommsens gaben Barbara und Alexander Demandt 1992 
        eine "Römische Kaisergeschichte" Mommsens heraus. Neben der "Römischen 
        Geschichte" verfasste Mommsen als zweites Standardwerk das 1887/88 erschienene 
        dreibändige "Römische Staatsrecht" sowie zahlreiche Einzeluntersuchungen 
        und Quellenarbeiten, unter denen die ab 1893 erscheinende Inschriftensammlung 
        "Corpus Inscriptionum Latinarum" die bedeutendste ist.
  
        "Mommsen 
          hat mit [seinem Werk] schon vor seinem Tod ein Kenotaph errichtet und 
          den Traum eines jeden Historikers verwirklicht: Das Werk steht seitdem 
          für seinen Autor." [7] Neben den 
        zahlreichen Anspielungen auf historische und politische Begebenheiten 
        soll hier eine Lesart des hermetischen Müller-Textes demonstriert werden, 
        die über die textexterne Referenz der einzelnen Textzeichen hinaus die 
        ästhetische Sprengkraft auf der Grundlage der Textstrukturen diskutiert. 
         II. "Für 
        wen sonst schreiben wir/ Als für die Toten": Die Arbeit an der Geschichte 
        In "Mommsens Block" lässt sich Geschichte als Komplex von Inhaltsmerkmalen 
        darstellen, die eine destruktive und gehemmte Bewegung repräsentieren. 
        In der Auseinandersetzung mit Geschichtsschreibung und ihrem Gegenstand 
        ähnelt das interpunktionslose Langgedicht einer Veranschaulichung dessen, 
        was sich der Geschichtsschreibung als Geschichte darstellt, da historische 
        Vorwärtsentwicklung ausbleibt; dies sind Katastrophen, Gewalt und Zerstörung. 
        Als dominante Inhaltsmerkmale des Textes fallen ,  
         und  auf, die mit der Einsicht in 
        die Absurdität der Anstrengung, das, was sich als Geschichte darstellt, 
        über Geschichtsschreibung zu tradieren, korrespondiert:
  
        "Kein 
          Verlaß auf die Literatur INRTIGEN UND / HOFKLATSCH Selbst die silbernen 
          Fragmente/ Des lakonischen Tacitus nur Lektüre für Dichter / Denen die 
          Geschichte eine Last ist/ Unerträglich ohne den Tanz der Vokale / Auf 
          den Gräbern gegen die Schwerkraft der Toten" (S. 257)   Wozu 
        also Geschichtsschreibung? Die für die Geschichtsschreibung greifbaren 
        gesellschaftlichen Verhältnisse zeichnen sich durch eine destruktive, 
        zirkulare und negative Bewegung aus, die keine offene und produktive Entwicklung 
        zulässt. Die Wahrnehmung von Geschichte als einer unheilvollen Bewegung, 
        die keine schriftliche Manifestation verdient, wird durch die Inhaltsmerkmale 
        ,   
        und  nachhaltig verstärkt. In diesem Gewaltszenario, 
        das "die bisherige Geschichte als Kontinuum anhaltender Katastrophen" 
        [8] darstellt, treten die Subjekte völlig hinter 
        non-personalen Akteuren wie Krieg, Trümmern, Massakern, Verrat, Geheimdiensten, 
        Machtwillkür, Einschaltqoten und Kapital zurück und wirken als Handlanger 
        in anonymen Strukturen. Sie erweisen sich als belanglos und austauschbar, 
        so dass die Gesprächspartner im Dialog über kapitalistische Geschäftspraktiken 
        als namenlose "Lemuren des Kapitals" (S. 262) fungieren, durch die 
        der Akteur Kapital beschrieben wird. Die subjekt- und geschichtskritische 
        Perspektive wird durch die Demaskierung der "Helden der Neuzeit" 
        (S. 262) als "Lemuren" zusätzlich akzentuiert: Die vermeintlich handlungs- 
        und geschichtsmächtigen Helden sind zu Lemuren geworden, unfähig zum subjektiven 
        Handeln. In dem historischen Zustand der destruktiven Bewegung hebt der 
        Text drei einzelne Akteure besonders hervor: den Historiker Mommsen, den 
        Ich-Erzähler und Johannes auf Patmos. Der Ich-Erzähler und Mommsen stehen 
        formal in einem Dialogverhältnis, das es eigens zu untersuchen gilt. Johannes 
        auf Patmos ist mit Eigenschaften ausgestattet, deren eine - diejenige 
        des "Totenführers" - auf einen weiteren Akteur verweist, auf die 
        Toten. Es sind die Toten, für die gehandelt werden muss. Das Geschick 
        der Toten ist an die Geschichte der Lebenden gebunden:
  
        "Für 
          wen sonst schreiben wir Als für die Toten allwissend im Staub
 [...]
 Das Vergessen ist ein Privileg der Toten". (260)
 Da sich die 
        Geschichte der Lebenden aber nicht auf einen Glückszustand aller zu bewegt, 
        kommen die Toten nicht zur Ruhe. Die nicht stattfindende Vorwärtsbewegung 
        der Geschichte verwehrt den Toten der Geschichte eine nachhaltige Rehabilitation 
        durch die Politik der Lebenden. Die Toten als Opfer und Repräsentanten 
        geschehenen Unrechts bleiben angesichts ausbleibender Rehabilitation durch 
        die historische Entwicklung zur 'ewigen Wiederkehr' und damit zu einer 
        zirkularen Bewegung gezwungen, die nicht zur Befreiung führt.   
        "Und 
          ihre [der Toten] Angst vor der ewigen Wiederkehr" (S. 257).  Die 'angstvolle 
        Wiederkehr' enthält sowohl das Moment der mahnenden Erinnerung an begangenes 
        Unrecht als auch das Angstmoment hinsichtlich der Konfrontation mit der 
        ungebrochen wirksamen Gewaltgeschichte. Die Toten führen wieder zurück 
        auf den vom Text als ausgesprochen widerständig ausgewiesenen Akteur:  
        "Nur 
          Johannes auf Patmos im Drogenqualm Der Ketzer der Totenführer der Terrorist
 Hat das Neue Tier gesehn das heraufkommt" (S. 258).
 Johannes 
        auf Patmos ist durch die Lexeme /Ketzer/, /Totenführer/ und /Terrorist/ 
        in dreifacher Weise mit Qualitätenn ausgestattet, die allesamt eine Praxis 
        der Auseinandersetzung mit den bestehenden Verhältnissen der destruktiven 
        gesellschaftlichen Bewegung bezeichnen.  An der Sequenz 
        über Johannes auf Patmos lässt sich die Spannung zwischen dem Sehen des 
        'Johannes im Drogenqualm' und der Gefahr des 'Neuen Tieres' als der entscheidende 
        Widerspruch zwischen dem erkennenden Sehen der Gewaltgeschichte und dem 
        Anerkennen der Gewaltgeschichte als wahre Geschichte lesen. Nicht der 
        Gegensatz von ruinöser Geschichte und deren leidenschaftsloser historiographischer 
        Tradierung, sondern derjenige zwischen einer gehemmten Bewegung und deren 
        Erkenn- und Veränderbarkeit entdeckt sich der kritischen Lektüre als entscheidende 
        ästhetische Spannung im Text.  III. Christentum 
        und Sozialismus als Utopien einer historischen VorwärtsentwicklungIn der unten zitierten zentralen Textpassage zu Johannes auf Patmos bilden 
        die mit dem Akteur Johannes verknüpften Inhaltsmerkmale den Kontrapunkt 
        zu einer geschichtlichen Bewegung bzw. Nicht-Bewegung des Christentums, 
        die kunstvoll und vielschichtig mit der Bewegung des Sozialismus verknüpft 
        wird:
  
        "EIN 
          KÖHLERGLAUBE FÜR GRAFEN UND BARONE das Christentum
 Eine Baumkrankheit von der Wurzel her
 Ein Krebs unterwandert von Nachrichtendiensten
 Die zwölf Apostel zwölf Geheimagenten
 Der Verräter liefert den Gottesbeweis
 Und das Firmenzeichen Saulus ein kolonisierter
 Bluthund spielt den Part des Sozialdemokraten
 Paulus geworden durch einen Sturz vom Pferd
 Und Leithammel des Unbekannten Gottes
 Dem er die Schafe ins Gehege lockt
 Zur Selektion Heil oder Verdammnis
 Nur vor den Würmern sind die Toten gleich
 Ein Polizeispitzel der erste Papst
 Nur Johannes auf Patmos im Drogenqualm
 Der Ketzer der Totenführer der Terrorist
 Hat das Neue Tier gesehn das heraufkommt" (S. 258f.).
 Wie der gesamte 
        Text enthält dieses Zitat zahlreiche Anspielungen auf die historischen 
        Bewegungen des Christentums und des Sozialismus, die sich mit entsprechendem 
        zusätzlichem Wissen auch als solche lesen und verstehen lassen. Aus diesem 
        Grund seien im Folgenden die Schritte und Ergebnisse einer historisch-biographischen 
        und der textanalytisch-kritischen Lektüre einander gegenübergestellt. 
          "EIN 
        KÖHLERGLAUBE / FÜR GRAFEN UND BARONE das Christentum / Eine Baumkrankheit 
        von der Wurzel her" kann auf den in seinen Vorlesungen häufiger geäußerten 
        Vorwurf Mommsens zurückgeführt werden, das Christentum habe die Umbruchsstimmung 
        in der römischen Kaiserzeit zur Konstituierung eigener Ordnungs- und Machtstrukturen 
        missbraucht, statt die freiwerdende Energie zur Stärkung des römischen 
        Staats- und Kulturapparates einzusetzen. [9] Zu 
        dem Vorwurf Mommsens, das Christentum habe den römischen Staat unterminiert 
        und damit verraten, lässt sich über den kommunistischen Vorwurf an die 
        Sozialdemokratie, die deutsche Revolution 1918/19 verraten zu haben, eine 
        Parallele zur sozialistischen Bewegung ziehen. [10] 
        An 
        einer anderen Textstelle wird Köhlerglaube im Kontext der Sozialismus-Thematik 
        nochmals genannt: "Gerade jetzt vom vermuteten Unrat des neuen / 
        Köhlerglaubens nicht für Grafen und Barone" (262). In zwei Punkten fallen 
        hier Unterschiede auf: Der real existierende Sozialismus wird ebenso wie 
        das Christentum als "Köhlerglaube" [11] bezeichnet, 
        aber erstens nicht für die Herrschenden, und zweitens ist der neue 
        Köhlerglauben des Sozialismus nicht in festen, blockartigen Großbuchstaben 
        typographisch hervorgehoben.
 Die "zwölf 
        Apostel zwölf Geheimagenten" agierten versteckt und bedienten sich der 
        zeitgenössischen philosophischen und politischen Diskurse, um ihre Lehre 
        zu verbreiten. Dem 'Verräter, der den Gottesbeweis liefere', können die 
        Figuren des Judas Iskariot und des sozialdemokratischen Reichswehrministers 
        Gustav Noske zugrundeliegen. Judas hatte mit seinem Verrat nicht nur das 
        prophetische Zukunftswissen Jesu hinsichtlich seines Verrates bestätigt, 
        sondern auch die Vorstellung göttlicher und menschlicher Überwindung des 
        Todes ermöglicht. Als "Volksbeauftragter für Heer und Marine" zwischen 
        1918/19 und als "Reichswehrminister" zwischen 1919/20 organisierte 
        Noske die repressive und militärische Niederschlagung der sozialistischen 
        und kommunistischen Aufstände zu Beginn der Weimarer Republik. Seine 'Politik 
        der eisernen Faust', die ihm den Vorwurf einbrachte, die deutsche Revolution 
        1918/19 und die Arbeiterschaft verraten zu haben, diente der mehrheitssozialistischen 
        Regierung unter ihrem Reichspräsidenten Friedrich Ebert dazu, gegenüber 
        den alten Herrschaftseliten der Monarchie und gegenüber der Bevölkerung 
        den Beweis sozialdemokratischer 'Regierungstauglichkeit' zu erbringen. 
          Auch 
        die Nachrichten "kolonisierter Bluthund" und "Part des Sozialdemokraten" 
        können als Anspielungen auf die Rolle der Mehrheitssozialisten zu Beginn 
        der Weimarer Republik gelesen werden. Noske soll sich selbst als Bluthund 
        bezeichnet haben, ihm wird die Äußerung zugeschrieben: "Einer muß 
        der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht." [12] 
        "Kolonisiert" ruft zudem den Sturz des Saulus vom Pferd in Erinnerung. 
        [13] Die Apostelgeschichte berichtet von dem jüdischen 
        Schriftgelehrten Saulus, der zu den energischsten Verfolgern der jungen 
        christlichen Glaubensgemeinschaft zählte, wie es in dem Bericht über die 
        Steinigung des Stephanus deutlich wird. [14] Nach 
        der Überlieferung der Apostelgeschichte wurde Saulus während einer Reise 
        derart stark von grellem Licht geblendet, dass er vom Pferd stürzte und 
        vorübergehend erblindete. Nach diesem Sturz avancierte der Christenfeind 
        Saulus unter seinem griechisch-römischen Namen Paulus [15] 
        zum zentralen Koordinator der voranschreitenden Institutionalisierung 
        der jungen christlichen Bewegung, die er über spezifische Normen und Praktiken 
        definierte. Als "depotenzierte Kraft" [16], 
        die sich einer Zähmung unterworfen hat, ist Paulus ebensowenig wie der 
        Sozialdemokrat Noske an einer radikalen Veränderung der Verhältnisse, 
        sondern nur an der Sicherung der bestehenden Ordnung interessiert. Paulus 
        und Noske können als Personifikation der Depotenzierung revolutionärer 
        Kraft bezeichnet werden, da sie den Elan junger und radikaler Bewegungen 
        zugunsten eines Denkens in Hierarchie, Ordnung und Integration gebrochen 
        haben: "Die geschwächte Kraft dagegen ist nur noch am status quo 
        interessiert, tendiert also zur Sozialdemokratie." [17]
 "Ein 
        Polizeispitzel der erste Papst" spielt auf die Verleugnung von Simon Petrus 
        wie von Stalin an. Beiden kann die Rolle „Papst" zugeschrieben werden, 
        da sich mit beiden Personen Merkmale wie ,  
         und   verbinden. Ebenso handelten 
        beide als Spitzel: Simon Petrus beginnt sein Papstamt mit einer Verleugnung, 
        da er, von dem es heißt, dass er der Felsen sei, auf den Jesus seine Kirche 
        aufbauen will [18], seinen Freund Jesus in dem 
        Moment, als das Bekenntnis zu Jesus gefährlich ist, dreimal verleugnet. 
        [19] Stalin hat vermutlich Mitgefangene als vermeintliche 
        Polizeispitzel denunziert. [20] Das für Paulus 
        beschriebene Ziel, die Schafe ins Gehege zu locken, "Zur Selektion 
        Heil und Verdammnis" verweist sowohl auf die kirchliche Gnadenlehre als 
        auch auf das von Müller selbst häufig thematisierte kapitalistisch-faschistische 
        Selektionsprinzip, das dem "kommunistische[n] Grundsatz KEINER ODER 
        ALLE" [21] diametral entgegenstehe. Selektion 
        steht nicht nur für die gewaltsame Durchsetzung eines fundamentalistischen 
        Wahrheitsanspruches, sondern auch für ein Leben und Überleben angesichts 
        systematischer Vernichtung. Die Selektionsrampen in den nationalsozialistischen 
        Vernichtungslagern haben dies drastisch vor Augen geführt; Müller hat 
        mehrmals eine Verbindung zwischen Kapitalismus, Selektion und Auschwitz 
        hergestellt:  
        "Das 
          Grundthema der Linie Dostojewski-Kafka-Faulkner ist die Selektion: Auschwitz 
          als das letzte Stadium der Aufklärung." [22] Mit Johannes 
        auf Patmos spielt der Text auf den Autoren der Johannes-Apokalypse, der 
        mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit dem 4. Evangelisten identisch ist, 
        an. Zu Beginn seiner apokalyptischen Schrift stellt sich der Verfasser 
        vor:   
        "Ich, 
          euer Bruder Johannes, der wie ihr bedrängt ist, der mit euch an der 
          Königsherrschaft teilhat und mit euch in Jesus standhaft ausharrt, ich 
          war auf der Insel Patmos um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses 
          für Jesus." [23] Vieles spricht 
        für die Annahme, dass Johannes als bekennender Christ in Konflikt mit 
        den römischen Behörden geriet und nach Patmos deportiert wurde. In seiner 
        Verbannung auf Patmos verfasste er die Johannes-Apokalypse als Staatskritik, 
        in der er die von ihm gesehenen, d.h. erkannten Zusammenhänge zwischen 
        der Messiasgeschichte und der Weltgeschichte in einer komplexen Bildsprache 
        kodierte. In seiner Schrift bezeichnet sich Johannes mehrmals als "Knecht" 
        und als "Prophet" [24], näheres zur Person 
        des Johannes ist nicht bekannt. Der materialistische Philosoph und Kulturhistoriker 
        Friedrich Engels betont die deutlich lesbare Ideologiekritik der Offenbarung 
        und tritt der verbreiteten Auffassung entgegen, bei der Apokalypse handle 
        es sich um änigmatische Spekulationen über die Endzeit:   
        "Nehmen 
          wir z.B. unser Buch der Offenbarung, von dem wir sehen werden, dass 
          es, statt das dunkelste und geheimnisvollste zu sein, das einfachste 
          und klarste Buch des ganzen Neuen Testaments ist." [25]  Eine 
        intertextuelle Referenz wird mit der Inhaltsmerkmal   
        deutlich. Die 'Toten' spielen in Müllers Texten eine entscheidende Rolle. 
        In Müllers Verständnis von Geschichte gibt es keine Alternative zu der 
        Verpflichtung, den erschlagenen, ermordeten, geknechteten, gedemütigten 
        und zerschundenen Opfern der menschlichen Gewaltgeschichte Gerechtigkeit 
        widerfahren zu lassen. Die politische Praxis müsste demzufolge in der 
        Gestaltung der gesellschaftlichen Existenzbedingungen die zentrale Erfahrung 
        einfließen lassen, dass bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse Gewaltverhältnisse 
        sind, die Menschen zu Opfern machen. Solche Gewaltverhältnisse gilt es 
        aufzulösen, um die Toten historisch zu rehabilitieren. Bleibt das Eingedenken 
        der Toten als Opfer menschenverachtender Existenzbedingungen aus, übt 
        Politik nach Müller Verrat an den Toten. Es ist der Verrat an den Toten 
        durch die Lebenden, den Müller in vielen seiner Texte problematisiert:
  
        "Statt 
          in der politischen Praxis 'befreit', werden die Toten der Geschichte, 
          die allein im Gedächtnis der Überlebenden fortleben und sich nicht mehr 
          nachhaltig [...] in Erinnerung bringen können, ein zweites Mal und damit 
          endgültig verraten." [26] Dem 'Verrat 
        an den Toten' setzt Müller in seinen Texten das Gespräch mit den Toten 
        entgegen, die er in der ästhetischen Wirklichkeit seiner Literatur zum 
        Sprechen einlädt; die Lektüre seiner Texte kann und soll dazu beitragen, 
        die Perspektive eines Eingedenkens der Toten zu gestalten und zu bewahren, 
        statt diese dem Vergessen zu überlassen:   
        "Immer 
          geht es um das Benennen historischer Erfahrungen - poetische Rückerinnerung 
          wird zur Voraussetzung weiterzuleben." [27] Dieses politisch 
        wie ästhetisch zentrale Moment für Müllers Textproduktion greift auf Walter 
        Benjamins 'Eingedenken', das er in seinen geschichtsphilosophischen Thesen 
        anmahnt, zurück:   
        "Hauptmotiv 
          in Benjamins Geschichtskonstruktion ist die [...] auch von Müller emphatisch 
          betonte, Rettung der Toten, ihr Eingedenken und ihre Erlösung durch 
          den Messias [...]." [28] Erinnern 
        und Eingedenken markieren die entscheidenden Ausgangspunkte der 
        ästhetischen Praxis Müllers, die bei aller Skepsis und trotz der vermeintlichen 
        postmodernen Katastrophen- und Endzeit-Stimmung ein Handeln zu provozieren 
        sucht, das sich gegen Vergessen, Harmonisieren und Gleichgültigkeit stemmt. 
        Trotz des Müller häufig unterstellten Geschichtspessimismusses [29] 
        vertritt er eine Utopie, und zwar im Bereich des vorstellbaren Abwesenden: 
        in der Vorstellung einer weltweiten Gerechtigkeit. Deshalb verweisen Klage 
        und Trauer bei Müller immer auch auf Hoffnung:  "Solange 
        es Universalgeschichte nicht gibt, das heißt, eine globale Chancengleichheit, 
        und das heißt für mich Kommunismus oder anders gesagt: Solange die Freiheit 
        mit der Gleichheit bezahlt wird und umgekehrt, wird es immer wieder Situationen 
        geben, wo Überleben Verrat an den Toten ist und auf der anderen Seite 
        die Bejahung des eigenen Todes eine politische Notwendigkeit. Wenn das 
        utopisch ist, umso schlimmer für die Wirklichkeit." [30] IV. "Das 
        Vergessen ist ein Privileg der Toten": Erkennen und Verändern als Utopie 
        
  Geschichte 
        stellt sich als ein blutiger, zerstörerischer Prozess dar, der den einzigen 
        Sehenden, Johannes auf Patmos, als "Ketzer", als "Terrorist" 
        und als "Totenführer" diffamiert. Zwischen den "Trümmern" der 
        Geschichte und ihrem "vermuteten Unrat" einerseits und dem schauenden 
        Johannes andererseits führt ein Aufschluss gebender Widerspruch zur Möglichkeit 
        einer offenen, produktiven Bewegung, die erkannt und gestaltet werden 
        kann. Johannes auf Patmos im Drogenqualm repräsentiert die Hoffnungsoption 
        des 'In-Bewegung-Setzens des Unbewegten', aber solange Geschichte nur 
        Zerstörung, Katastrophen und Unmenschlichkeit produziert, fungiert er 
        nicht als Rebellen-, sondern als Totenführer. Mit Johannes auf Patmos 
        tritt ein für die Toten notwendiges Element auf: Der von den Toten vertretene 
        universale historische Anspruch auf Gerechtigkeit hängt vom Eingedenken 
        der Lebenden ab. Das Eingedenken der Toten durch die Lebenden soll dann 
        zur Auflösung der Widersprüche, mithin zu einer politisch-gesellschaftlichen 
        Tat führen.  
        "Auf 
          der Überzeugung beharrend, dass der Eintritt in eine qualitativ neue 
          Phase von Geschichte den Unterdrückten der ganzen bisherigen Geschichte 
          verpflichtet sein müsse, kann der Ausbruch aus dem Kontinuum des geschichtlichen 
          Prozesses nur im Namen aller Toten, aller Generationen Getöteter gedacht 
          werden - oder gar nicht." [31]  Die 
        Begriffe Ketzer, Totenführer und Terrorist qualifizieren Johannes auf 
        Patmos als aufrührerisch und politisch aktiv, auch wenn dies unter bestimmten 
        gesellschaftlichen Bedingungen nur eingeschränkt möglich ist. So handelt 
        es sich bei Johannes auf Patmos auch nicht um einen passiven Verwalter 
        von Opferstatistiken und Todeskarteien, sondern um einen aktiven Anführer 
        der Toten, einen Strategen der Gerechtigkeit. Johannes ist die Rolle des 
        Sehenden zugeschrieben, dessen Reflexion des gesehenen 'Neuen Tiers' einen 
        Akt widerständigen Wahrnehmens und Denkens darstellt. Der Drogenqualm 
        lässt sich als Zeichen für eine sich frei entwickelnde Bewegung oder für 
        einen besonderen Modus der Wahrnehmung oder für einen auch tarnenden Selbstschutz 
        lesen, wohingegen etwa das Lexem /Köhlerglaube/ mit der Konnotation Köhlerfeuer 
        als gehemmte und 'kolonisierte' Bewegung beschreibbar ist. Die mit Johannes 
        auf Patmos verbundenen Qualitäten des Sehens einer Gefahr, einer besonderen 
        Wahrnehmung und einer Schutzstrategie stehen als bewegtes Handeln der 
        destruktiv-zirkularen Bewegung geschichtlicher Zerstörung entgegen. Textuell 
        ermöglicht Johannes den entscheidenden Zugriff auf das tiefenstrukturelle 
        Inhaltsmerkmal der offenen Bewegung in diesem vermeintlich düsteren Text. 
        Er muss der kritischen Textanalyse als Aufschluss gebender textueller 
        Ort und nicht als Widerspiegelung eines politischen Antihelden, wie Horst 
        Domdey ihn liest, gelten:
  
        "Das 
          historische Subjekt reduziert sich auf einen Johannes der Drogenszene, 
          der den Mund voll nimmt und so tut, als käme ein Heiland, der die Welt 
          vom Kapitalismus befreit." [32] Johannes 
        auf Patmos realisiert als Merkmalskomplex gänzlich andere Inhaltsmerkmale 
        als die tradierte Geschichte. Ihn in die empirische Figur eines Junkies 
        zu verwandeln und ihm Inhaltsmerkmale zuzuschreiben, die keine Entsprechung 
        im Text finden - er nimmt den Mund nicht voll - verfälscht geradezu die 
        Qualität dieser Figur für die Beschreibung kritischer Lesemomente. Johannes' 
        Rolle als "Totenführer" leistet die Verbindung zwischen den Toten 
        der Geschichte und den lebenden Subjekten der Geschichte: Die Toten, die 
        zur zirkularen Bewegung gezwungen sind, bedürfen der aktiven politischen 
        Subjekte, die ihrer eingedenkend handeln, sie bedürfen der Totenführer, 
        die unter den Lebenden das historische Eingedenken anmahnen und realisieren. 
        Johannes auf Patmos repräsentiert als Ketzer, Totenführer und Terrorist 
        die Möglichkeit, im Eingedenken der Toten politisch befreiend zu handeln, 
        und kann daher im Text die produktive Lese-Utopie einer möglichen und 
        notwendigen konstruktiven Bewegung in der Geschichte aktivieren. Ein 
        Ergebnis, das der Interpretation Domdeys diametral gegenübersteht:   
        "In 
          der Textgestalt eines monologischen Totengesprächs sind die Toten in 
          'Mommsens Block' die entscheidende Bezugsgröße. Nach dem Verschwinden 
          eines realen historischen Subjektes bleiben sie die letzte Instanz, 
          die den geschichtsphilosophischen Gehalt der Aussagen legitimiert." 
          [33] Im Text heißt 
        es von der 'letzten Instanz' der Toten, dass sie zur "ewigen Wiederkehr" 
        (S. 257) gezwungen sind, solange sich Geschichte als Kontinuum von Gewalt 
        und Ausbeutung abspielt. Die utopische Bezugsgröße in "Mommsens Block" 
        sind die lebenden Subjekte, die die Forderung der Toten einlösen müssten. 
        Das real existierende Fehlen dieser im Eingedenken der Toten handelnden 
        Subjekte produziert eine Leerstelle, deren Existenz jedoch die Notwendigkeit 
        unterstreicht, sie zu füllen.   
        "Die 
          gegenutopischen Züge seiner Kunstwerke zitieren durch die Darstellung 
          von Defiziten, Niederlagen und Bosheiten immer auch die Sehnsucht nach 
          einem anderen Zustand und damit ein abwesendes Wunschbild: eine radikal 
          veränderte Welt, frei von Angst, Schmerz, Gewalt. Die Utopie ist nur 
          vorläufig beerdigt, der Sozialismus schläft lediglich." [34]  Der 
        Text erzeugt den Bedeutungseffekt, das ein solches Handeln möglich ist, 
        und stellt mit Johannes auf Patmos einen Akteur in den Vordergrund, der 
        dies einfordert. Die Klage über mangelndes historisches Handeln der lebenden 
        Subjekte ist also keineswegs mit dem resignierenden Verweis auf die hilflosen 
        Toten erledigt, sondern sie steht zwingend als Appell für den Anfang historischen 
        Denkens und Handelns. Die verbreitete Interpretation von "Mommsens 
        Block" als Programmatik "eines posthistorischen Lebensgefühls" [35], 
        in dem Geschichte keinen Sinn mehr hat und die Intellektuellen sich gehemmt 
        in Melancholie zurückziehen, ignoriert diesen textuellen Effekt und verkennt 
        damit eine zentrale ästhetische Schlüsselqualität des Textes. Diese einseitige 
        Lesart korrespondiert mit einer Mitte der 90er Jahre politisch motivierten 
        Mode, Heiner Müller zum würdevollen, aber veralteten Hohenpriester des 
        Totengesangs auf die DDR und deren Literatur zu erklären. [36]
 Die kritische 
        Textanalyse entdeckt zwischen der destruktiven Bewegung menschlicher Gewaltgeschichte 
        und der offenen, produktiven Bewegung von Erkenn- und Veränderbarkeit 
        bestehender Verhältnisse den entscheidenden Widerspruch, der im gesamten 
        Text angelegt ist und wirkt. Schon im Titel "Mommsens Block" mit 
        seiner Doppelbildlichkeit des Blocks als Einheit von Denkmalssockel und 
        Büste [37] wie als Schreibblockade [38] 
        sind die dominanten Inhaltsmerkmale des Langgedichtes enthalten: , 
        ,  
        und . Überhaupt konstituiert das Thema des 
        Blocks eine typographische Isotopie der Blockschrift-Zeilen [39], 
        die zwei- bis viermal auf jeder Seite - mit Ausnahme der beiden letzten 
        - auftauchen. Die eingefügten Majuskeln als Charakteristikum der antiken 
        Epigraphik repräsentieren in Stein gemeißelte, unbewegliche Geschichte, 
        ohne Handschrift und ohne Leben: "Wer mit dem Meißel schreibt / Hat 
        keine Handschrift" (S. 257). Der Obertitel steht typographisch als monolythischer 
        Block im Widerspruch zu dem kursiv, und kleiner gedruckten Untertitel 
        "für Felix Guattari". Im Vergleich 
        von Titel und Untertitel fällt der unterschiedliche Gebrauch von Namen 
        auf. Im Titel "Mommsens Block" wird mit dem fehlenden Vornamen ein 
        Nachname wie ein Block gesetzt, ein Name, der für sich steht, einen eigenen 
        Begriff bildet und isoliert einen Block der Autorität, des Ansehens und 
        der Macht repräsentiert. [40] Die Nennung von 
        Vornamen und Namen in kursiver Schrift sowie die widmungsartige Formulierung 
        im Untertitel stehen in auffälligem Kontrast zum 'Monument' des Obertitels: 
          
        "Der 
          schnelle Heiner Müller schreibt einen Text über den stummen Meister 
          Mommsen, den er dem schnatternden Felix Guattari als einem zeitgenössischen 
          Freund im Geiste widmet [...]." [41] V. Exkurs 
        
  Die 
        Nennung des Poststrukturalisten Felix Guattari, der mit Gilles Deleuze 
        die zwei viel beachteten Bände "Anti-Ödipus" und "Tausend Plateaus" 
        zu "Kapitalismus und Schizophrenie" [42] 
        verfasste und deshalb oft als Deleuze/ Guattari wahrgenommen wird, verdient 
        unabhängig von der symptomatischen Lektüre eine gesonderte Beachtung. 
        Gegenüber der Starrheit von Repression und Bürokratie entwickelt Guattari 
        die Vorstellung von dynamischen Verbindungs- und Auflösungsprozessen, 
        von polyzentrischen Vernetzungen verschiedenster Lebens-, Bewusstseins- 
        und Organisationsformen. Innerhalb einer solchen politisch und psychisch 
        offenen Strukturierung des sozialen Raums, kann man nach Guattari zur 
        Erfahrung eines Unbewussten vordringen, dessen Trieb- und Wunschenergien 
        sich schöpferisch und konstruktiv entfalten können. In ihrer kleinen, 
        fast programmatisch zu nennenden Schrift "Rhizom" [43] 
        ziehen Deleuze/ Guattari Parallelen zwischen historischen Denkformen und 
        Wurzeltypen, wie die Botanik sie beschreibt. Der aktuellen Denkform "Heterogenität 
        und Verbindung" als komplexer Vielheit entspricht der Wurzeltyp des Rhizoms. 
        Als Rhizome werden in der Botanik Kriechwurzeln bezeichnet, die ober- 
        und unterirdisch wachsen und an verschiedenen Stellen immer wieder neue 
        Wurzeln in die Erde treiben, wie es beispielsweise für die Erdbeere zu 
        beobachten ist. Das Bild des Rhizoms als Vorstellung eines komplexen Netzwerkes 
        ermöglicht es, die Gesamtheit aller Elemente in ihrer nur punktuell verknüpften 
        Verschiedenheit zu denken:  
        "Rhizomatische 
          Konfigurationen weisen also [...] immer zugleich Verbindungen auf, und 
          zwar punktuelle, von Fall zu Fall geknüpfte Verbindungen, die ihrerseits 
          eher zur Komplexifikation als zur Vereinheitlichung beitragen." 
          [44] Deleuze/ 
        Guattari verweisen auch auf die politische Dimension rhizomatischen Denkens, 
        denn das Rhizom ist  
        "ein 
          nicht zentriertes, nicht hierarchisches und nicht signifikantes System 
          ohne General, organisierendes Gedächtnis und Zentralautomat; es ist 
          einzig und allein durch die Zirkulation der Zustände definiert." 
          [45] Als textexterne 
        Referenz, und nur als solche, verweist das Wissen um das rhizomatische 
        Denken Guattaris auf den Gegensatz zwischen der ungeordneten Struktur 
        des Netzwerkes und der eindimensional endgültigen Ordnung des Blocks, 
        wie sie im Titel "Mommsens Block" zum Ausdruck kommt.  VI. Mommsens 
        Block - verhinderter Dialog Das gesamte Gedicht enthält Merkmale eines verhinderten Dialogs. Er beginnt 
        mit einer allgemeinen Fragestellung, die immer wieder im Modus direkter 
        Anrede des fragenden Ich-Erzählers an den befragten, aber stummen Geschichtsprofessor 
        Theodor Mommsen artikuliert wird. Mit derselben Stummheit, die ihn von 
        der Realisierung des IV. Bandes der Römischen Geschichte abhält, entzieht 
        er sich der Partizipation an den Reflexionen des Ich-Erzählers, der wiederum 
        umso nachdrücklicher seine Überlegungen zur Katastrophalität der Geschichte, 
        zur Relativität von Geschichtsschreibung und zur Möglichkeit kritischen 
        Handelns artikuliert. Gleichwohl handelt es sich bei dem angestrebten 
        Gespräch nicht um ein verzweifeltes Anrennen gegen die blockartige Stummheit 
        Mommsens, sondern um einen Prozess zunehmenden Verständnisses [46]:
  
        "Tierlaute 
          Wer wollte das aufschreiben Mit Leidenschaft Haß lohnt nicht Verachtung läuft leer
 Verstand ich zum erstenmal Ihre Schreibhemmung
 Genosse Professor vor der römischen Kaiserzeit
 Der bekanntlich glücklichen unter Nero
 Wissend der ungeschriebene Text ist eine Wunde
 Aus der das Blut geht das kein Nachruhm stillt" (S. 263).
  Das 
        wachsende Verständnis für die historiographische Leidenschaftslosigkeit 
        Mommsens gipfelt in einer beide Gesprächspartner verbindenden Erkenntnis: 
        In der letzten direkten Anrede wird aus dem Herrn Professor der "Genosse 
        Professor", und auffälligerweise fehlt auf den letzten zwei Seiten des 
        Textes die Blockschrift. Das zunehmende Verständnis des Ich-Erzählers 
        für das Verhalten des angesprochenen, aber stummen Mommsen gipfelt in 
        einer letzten konkreten Utopie: der Arbeit. Über den Verstehensprozess 
        des Ich-Erzählers eröffnet sich als letztes, vielleicht minimal utopisches 
        Moment die Arbeit am "Arbeitsplatz umstellt von Büchern" (S. 263) 
        als die vorerst einzig mögliche Entwicklungsbewegung. Bei aller Katastrophalität 
        der Geschichte eröffnet sich neben der Resignation fast immer der Fluchtpunkt 
        politischer, wissenschaftlicher oder künstlerischer Erinnerungsarbeit, 
        die an konkreten Punkten geleistet werden muss; auch bei aller Ausweglosigkeit 
        bleibt also die wissenschaftliche, künstlerische oder spirituelle Arbeit 
        an der Erkenntnis der bestehenden Verhältnisse eine Möglichkeit konstruktiver 
        historischer Bewegung.
  
        "Aber 
          für Jahrzehnte wird nach dem vorläufigen Sieg des Kapitalismus, der 
          ein System der Selektion ist (das Prinzip Auschwitz), die Kunst der 
          einzige Ort der Utopie sein, das Museum, in dem die Utopie aufgehoben 
          wird für bessere Zeiten." [47] Es ist die 
        fortwährende, mühevolle Arbeit des Forschers am Schreibtisch, die Mommsen 
        als kontinuierlich forschenden und wissenden Historiker auszeichnet:   
        "Solche 
          Unternehmungen wie die Mommsens/ müssen sehr selten sein, weil ein ungeheures 
          Gedächtnis und ein entsprechnder Schaftsinn in der Kritik und/ Ordnung 
          eines solchen Materials selten zusammen kommen/ vielmehr gegen einander 
          zu arbeiten pflegen" (S. 260).  Sein durch 
        Forschungsarbeit geschulter Scharfsinn lässt den überragenden Historiker 
        die zunächst erstaunliche Konsequenz ziehen, die begonnene Tradierung 
        von Geschichte nicht mit dem IV. Band zu krönen, sondern sie einzustellen. 
        Dieses 'Forschungsergebnis' manifestiert eine zu dem 'Sehen' des Johannes 
        auf Patmos komplementäre Erkenntnisform von Geschichte: Wird Johannes 
        auf Patmos als aufrührerischer Sehender dargestellt, der die tödliche 
        Bewegung der Geschichte, das 'Neue Tier', gleichsam mystisch schauend 
        erkennt, so wird Mommsen als ein Akteur geschildert, der nach dem hohen 
        Arbeitseinsatz auf dem Feld der Geschichtsschreibung "NICHT MEHR 
        DIE LEIDENSCHAFT" (S. 257) hatte, die "Tierlaute" (S. 263) der Geschichte 
        aufzuschreiben.  Das Sehen 
        des Johannes und die unermüdliche wissenschaftliche Arbeit des Historikers 
        repräsentieren im Text zwei Formen der gleichen handlungsleitenden Erkenntnis. 
        Mit der Erkenntnis von Geschichte als tödlicher, destruktiv-zirkularer 
        Bewegung, die sich auch für die utopischen Entwürfe von Christentum und 
        Sozialismus zeigen lässt, ist beiden Akteuren - Mommsen und Johannes auf 
        Patmos - eine Handlung zugeschrieben, die sich gegen den katastrophalen 
        Verlauf von Geschichte stellt: Johannes auf Patmos rebelliert als Totenführer 
        und Ketzer gegen bestehende Verhältnisse, und Mommsen setzt die wissenschaftliche 
        Reproduktion der Geschichte nicht fort, denn ihre todbringende Gewaltstruktur 
        "Konnte geschlossen werden aus dem dritten Band" (S. 258). Die Erkenntnisformen 
        beider Akteure werden schließlich im Akteur Ich-Erzähler synthetisiert: 
          
        "Gestern 
          beim Essen in einem Nobelrestaurant In der wieder bereinigten Hauptstadt Berlin
 Blätterte ich in den Mitschriften Ihres Kollegs
 Über die Römische Kaiserzeit frisch vom Buchmarkt
 Zwei Helden der Neuzeit speisten am Nebentisch
 Lemuren des Kapitals Wechsler und Händler
 Und als ich ihrem Dialog zuhörte gierig
 Nach Futter für meinen Ekel am Heute und Hier" (S. 262).
  Dem Ich-Erzähler 
        werden durch die Nachrichten "Blätterte ich in den Mitschriften Ihres 
        Kollegs" das Inhaltsmerkmal   und durch die 
        Nachricht "Und als ich ihrem Dialog zuhörte [...] Verstand ich zum 
        erstenmal Ihre Schreibhemmung / Genosse Professor" (S. 262 f.) das Inhaltsmerkmal 
          zugeschrieben. In seinem "geschichtsphilosophischen 
        Diskurs über den Triumph des Kapitals" [48] nimmt 
        er die zeitgenössischen Praxisformen der "Lemuren des Kapitals" als 
        'ekelerregende' "Tierlaute" (S. 263) wahr, und er erkennt die gegenwärtigen 
        Rituale der gesellschaftlichen Praxis als menschenverachtend:   
        "Fünf 
          Straßen weiter wie die Sirenen andeuten Schlagen die Armen auf die Ärmsten ein
 Und als die Herren privat werden Zigarren und Cognac
 Strikt nach dem Lehrbuch der Politischen Ökonomie
 Des Kapitalismus" (S. 263).
  Gegenüber 
        einer posthistorischen Lektüre, welche über die expliziten Inhaltsmerkmale 
        , ,  und 
          den Text als Ausdruck von Verzweiflung 
        und Stillstand angesichts der menschlichen Gewaltgeschichte liest, erschließt 
        sich "Mommsens Block" der textstrukturellen Lektüre als ästhetische 
        Gestaltung des Grundwiderspruchs zwischen der destruktiven Bewegung katastrophaler 
        Gewaltgeschichte und der offenen, produktiven Bewegung subjektiven Erkennens 
        genau dieser Gewaltstrukturen. Es ist dieses Erkennen struktureller Zwänge, 
        das dem Subjekt den Rahmen politischer Handlungsmöglichkeiten aufzeigt. 
        Auch der Bilanz Richard Herzingers, dass der Dichter "unter den Bedingungen 
        der Geldherrschaft" [49] nur noch Tierlaute vernehme, 
        ist entgegenzuhalten, dass trotz der Tierlaute der kapitalistischen Warengesellschaft 
        das Sehen des Johannes auf Patmos und das Erkennen des Forschers als im 
        Text präsente Zufluchtsorte markiert werden, die sich nicht in der Diagnose 
        von Sinnlosigkeit erschöpfen.
 So muss die 
        Erkenntnis des Ich-Erzählers "Wissend der ungeschriebene Text ist 
        eine Wunde / Aus der das Blut geht das kein Nachruhm stillt" (S. 263) 
        nicht auf sein Wiedererkennen in der evidenten Frage nach der fehlenden 
        wissenschaftlichen Veranschaulichung von Geschichte - dem vermutlich nie 
        geschriebenen IV. Band der "Römischen Geschichte" [50] 
        - verweisen. Die 'Wunde', die als Ergebnis der Arbeit an der Geschichte 
        sichtbar wird, bedeutet für die textstrukturelle Lektüre weniger die Lücke 
        in der Geschichtsschreibung, denn eher die tiefe, anhaltende Verletzung 
        der Geschichte selbst, wie Müller es in seiner Dankesrede "Die Wunde 
        Woyzeck" zur Verleihung des Georg Büchner-Preises 1985 ausdrückte:   
        "die 
          offene Wunde. Woyzeck lebt, wo der Hund begraben liegt, der Hund heißt 
          Woyzeck. Auf seine Auferstehung warten wir mit Furcht und / oder Hoffnung, 
          dass der Hund als Wolf wiederkehrt." [51]  VII. 
        Die textstrukturellen Utopien: Der "Arbeitsplatz umstellt von Büchern" und das 'Sehen des Neuen 
        Tiers'
 Das komplexe Langgedicht Heiner Müllers lässt viel Raum für ein kulturhistorisches 
        'Quiz', um die zahlreichen Anspielungen auf historische Ereignisse und 
        Zitate aufzulösen und wiederzuerkennen. Daneben entdeckt sich der textstrukturellen 
        Lektüre der Widerspruch zwischen katastrophaler Geschichte und fortlaufender 
        intellektueller Reflexion, der Widerspruch zwischen destruktiv-zirkularer 
        Bewegung der geschichtsmächtigen Akteure und der Fähigkeit von Sehen und 
        Erkennen, die eine zentrale Voraussetzung für kritisches politisches Handeln 
        ist. Ein solches Lektüre-Modell vermag den Text hinsichtlich seiner utopischen 
        Komponenten weitaus differenzierter auszuwerten als die eher irreführenden 
        postistorischen Interpretationen Ebrechts und Assheuers:
  
        "Mommsens 
          Block beschreibt den Weg von der Heilsgeschichte zum Posthistoire exemplarisch. 
          [...] Und hier, mit dem Ende der Träume, setzt die posthistorische Wende 
          ein: Ohne Träume, d.h. ohne Ideen und Ziele, gibt es keine geschichtliche 
          Entwicklung und keinen Sinn mehr. Das ist die Epoche des Stillstands: 
          [...] Mit der 'Grabschrift' Mommsens Block verabschiedet sich Müller 
          vom Schreiben." [52] Und:  
        "Im 
          utopiefreien Raum seines großen Gedichts Mommsens Block löschte Heiner 
          Müller die Brandsätze, denn nun ist Auflösung nicht mehr Hoffnung, sondern 
          eben nur: Auflösung. Dem verstummenden Intellektuellen wird der verstummte 
          Historiker Mommsen zum Ebenbild." [53] Entgegen 
        diesen Ergebnissen werden im Text aber die Arbeit des forschenden Historikers 
        und das Sehen des Johannes auf Patmos mögliche Dimensionen eines Erkennens 
        lesbar, das Voraussetzung für politisch veränderndes Handeln ist. Der 
        'Drogenqualm', die protestierende Stummheit und die wiederkehrenden Toten 
        repräsentieren im Text nicht nur Verzweiflung und Auflösung, sie klagen 
        gleichermaßen das ein, was sich noch nicht verwirklicht hat: Geschichte 
        als Entwicklung menschlicher Freiheit und Gerechtigkeit.  Benedikt 
        Descourvières
 © TourLiteratur 
        / AutorAlle Rechte vorbehalten
 Benedikt 
        Descourvières, Jahrgang 1968, Dr. phil., ist u.a. Verfasser des 
        Buches"Utopie des Lesens. Eine Theorie kritischen Lesens auf der Grundlage 
        der Ideologietheorie Louis Althussers. Dargestellt an Texten Georg Büchners, 
        Theodor Fontanes, Ödön von Horváths und Heiner Müllers."
 St. Augustin: Gardez! Verlag 1999. (= GiG. Germanistik im Gardez! Bd. 
        6.)
 Mehr zu Benedikt 
        Descourvières erfahren Sie hier. Buchcover 
        (von oben nach unten):1) Müller, Heiner: Germania 3 Gespenster am Toten Mann / Mommsens 
        Block. 2 CDs. Eine Produktion des DeutschlandRadio, u.a. mit Ulrich Mühe. 
        Hrsg. v. Ulrich Gerhardt. Audio Verlag 1999.
 2) Drucksache 1. Berliner Ensemble. Heiner Müller: Mommsens Block 
        / Matthias Langhoff: Brief an einen Senator. Berlin: Alexander Verlag 
        1993.
 3) Müller, Heiner: Krieg ohne Schlacht. Leben in zwei Diktaturen. 
        Eine Autobiographie. Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch 1994.
 4) Tschapke, Reinhard: Heiner Müller. Berlin: Morgenbuch Verlag 1996. 
        (= Köpfe des XX. Jahrhunderts. 128.)
 5) Hauschild, Jan-Christoph: Heiner Müller oder Das Prinzip Zweifel. 
        Eine Biographie. Berlin: Aufbau Verlag 2003 (Taschenbuch).
 6) Heiner Müller. 1929 - 1995. Bilder eines Lebens. Berlin: Verlag 
        Schwarzkopf & Schwarzkopf 1996.
 7) Ostheimer, Michael: Mythologische Genauigkeit. Heiner Müllers 
        Poetik und Geschichtsphilosophie der Tragödie. Würzburg: Verlag 
        Königshausen & Neumann 2002.
 8) Müller, Heiner: Germania 3. Gespenster am Toten Mann. Köln: 
        Verlag Kiepenheuer & Witsch 1996.
 9) Müller, Heiner: Die Gedichte. Hrsg. v. Frank Hörnigk. Frankfurt/Main: 
        Suhrkamp Verlag 1998. (= Werke. Bd. 1.)
 10) Kluge, Alexander / Müller, Heiner: "Ich schulde der Welt 
        einen Toten". Gespräche. Berlin: Rotbuch Verlag 1996.
 11) Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. München dtv 2001.
 12) Theweleit, Klaus: Heiner Müller. Traumtext. Frankfurt/Main: Verlag 
        Stroemfeld/Roter Stern 1996.
 13) Müller, Heiner: Der Lohndrücker / Die Umsiedlerin oder Das 
        Leben auf dem Lande. Zwei Theaterstücke. Leipzig: Verlag Faber & 
        Faber 1995.
  Weiterführende 
        Links zu Heiner Müller 
  Eine 
        Sekundärliteraturliste zu Heiner Müller
  Lesen Sie 
        auch die Beiträge von Benedikt Descourvières:
  Erkennen 
        - Urteilen - Handeln. Anfänge der Theaterpädagogik in Bertolt 
        Brechts Lehrstück "Die Maßnahme"
 
  Träume, 
        Hexen und Gelächter. Widerstand der Phantasie in Irmtraud Morgners 
        Romanen Anmerkungen: 
        [1] Vgl. Drucksache 1 (1993), S. 1-9. Primärzitate 
        werden direkt im Text nach der Seitenzahl des von Frank Hörnigk 1998 herausgegebenen 
        ersten Bandes der Müller-Werkausgabe in runden Klammern zitiert. [zurück]
 [2] 
        Assheuer, Thomas: Der böse Engel. Heiner Müller und die Geschichte: Walzer 
        im Schlachthaus. In: Frankfurter Rundschau vom 02. 01. 1996, S. 9. [zurück] [3] 
        Vgl. zusammenfassend Ebrecht, Katharina: Heiner Müllers Lyrik. Quellen 
        und Vorbilder. Würzburg 2001, S. 18-20. [zurück] [4] 
        Fuhrmann, Helmut: Warten auf "Geschichte". Der Dramatiker Heiner 
        Müller. Würzburg 1997, S. 55 f. Theo Buck vertritt in "Heiner Müller 
        als Lyriker. In: Text und Kritik 73: Heiner Müller. Hrsg. v. Heinz Ludwig 
        Arnold. München (2) 1997, S. 131-154, hier S. 145 die These, dass sich 
        Müller aus der geschichtlichen Ratlosigkeit in die Lyrik geflüchtet habe. 
        [zurück] 
         [5] 
        Wolfgang Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR. 2. Aufl. Leipzig 
        1997, S. 509. [zurück] [6] 
        Demandt, Alexander: Einleitung. In: Mommsen, Theodor: Römische Kaisergeschichte. 
        Nach den Vorlesungsmitschriften von Sebastian und Paul Hensel 1882/86. 
        Hrsg. v. Barbara Demandt und Alexander Demandt. München 1992, S. 15-25, 
        referiert die zeitgenössische Diskussion um den erwarteten IV. Band der 
        Kaisergeschichte und fasst die Forschungsdiskussion darüber zusammen. 
        [zurück] 
         [7] 
        Wolfgang Ernst: (Hrsg.): Die Unschreibbarkeit von Imperien. Theodor Mommsens 
        Römische Kaisergeschichte und Heiner Müllers Echo. Weimar 1995, S. 35. 
        [zurück] 
         [8] 
        Frank Hörnigk: "Texte, die auf Geschichte warten ...". Zum Geschichtsbegriff 
        bei Heiner Müller. In: Ders. (Hg.): Heiner Müller. Material. Leipzig 1990, 
        S. 123-137, hier S. 126. [zurück] [9] 
        Demandt, Alexander: Einleitung. In: Mommsen, Theodor: Römische Kaisergeschichte. 
        Nach den Vorlesungsmitschriften von Sebastian und Paul Hensel 1882/86. 
        Hrsg. v. Barbara Demandt und Alexander Demandt. München 1992, S. 42: "Die 
        Kirche schien ihm ein 'Staat im Staate', ihre Hierarchie ein 'im höchsten 
        Grade staatsgefährliches Prinzip', der Episkopat eine 'Neben'- oder gar 
        'Gegenregierung'." [zurück] [10] 
        Vgl. Haffner, Sebstian: Die deutsche Revolution 1918/ 1919. München 1991, 
        S. 158-185. [zurück] [11] 
        Im "Deutschen Wörterbuch" Bd. 11, S. 1591 beschreiben die Brüder 
        Grimm das Lexem /Köhlerglaube/ als einen vorbehaltlosen Glauben an die 
        Verkündigung der Kirche. [zurück] [12] 
        Vgl. den von Rainer Butenschön und von Eckart Spoo 1997 herausgegebenen 
        Band "Wozu muß einer der Bluthund sein? Der Mehrheitssozialdemokrat 
        Gustav Noske und der deutsche Militarismus des 20. Jahrhunderts". [zurück] [13] 
        Vgl. Apostelgeschichte 9, 1-9. [zurück] [14] 
        Vgl. Apostelgeschichte 7, 60. [zurück] [15] 
        Der Apostel Paulus, jüdischer Schriftgelehrter mit römischem Bürgerrecht, 
        hatte zwei Namen: einen hebräischen, Saulus, und einen griechisch-römischen, 
        Paulus. [zurück] [16] 
        Domdey, Horst: Writer's Block oder "Johannes im Drogenqualm". Heiner 
        Müllers lyrischer Text "Mommsens Block". In: 1945-1995: Fünfzig Jahre 
        deutschsprachige Literatur in Aspekten. Hrsg. v. Gerhard P. Knapp und 
        Gerd Labroisse. Amsterdam/ Atlanta 1995, S. 631-641, hier S. 635. [zurück] [17] 
        Domdey, Horst: Writer's Block oder "Johannes im Drogenqualm". Heiner 
        Müllers lyrischer Text "Mommsens Block". In: 1945-1995: Fünfzig Jahre 
        deutschsprachige Literatur in Aspekten. Hrsg. v. Gerhard P. Knapp und 
        Gerd Labroisse. Amsterdam/ Atlanta 1995, S. 635, Anm. 8. [zurück] [18] 
        Vgl. Matthäus 16, 18. [zurück] [19] 
        Vgl. Matthäus 26, 69 - 75. [zurück] [20] 
        In den Gefängnissen des zaristischen Russland bestand permanent die Gefahr 
        für die politischen Häftlinge, von Provokateuren ausspioniert zu werden. 
        Als Selbstschutz wurden enttarnte Provokateure im Gefängnis ermordet. 
        Der politische Häftling Stalin soll, so der Vorwurf, ihm unangenehme Mitinsassen 
        als Spitzel verleumdet und deren Exekution billigend in Kauf genommen 
        haben; vgl. Deutscher, Isaac: Stalin. Eine politische Biographie [1967]. 
        Berlin 1989, S. 144. [zurück] [21] 
        Müller, Heiner: Brief an den Regisseur der bulgarischen Erstaufführung 
        von Philoktet am Dramatischen Theater Sofia. In: Müller, Heiner: Herzstück. 
        Berlin (West) 1983, S. 102-110, hier S. 103. [zurück] [22] 
        Müller, Heiner: Denken ist grundsätzlich schuldhaft. Die Kunst als Waffe 
        gegen das Zeitdiktat der Maschinen. In: Ders.: "jenseits der Nation." 
        Berlin 1991, S. 35 - 60, hier S. 55. [zurück] [23] 
        Offenbarung 1, 9. [zurück] [24] 
        Vgl. Offenbarung 1, 1; 10, 7; 22, 6 - 9. [zurück] [25] 
        Engels, Friedrich: Das Buch der Offenbarung (1883). In: MEW [Marx/Engels: 
        Werke] XXI, S. 9-15, hier S. 9. Überzeugende theologische Untersuchungen 
        zur Apokalypse als gezielter Staatskritik liegen mit Kuno Füssels "Im 
        Zeichen des Monstrums. Zur Staatskritik der Johannes-Apokalypse" 
        (Freiburg/ Schweiz 1986) und Pablo Richards "Apokalypse. Das Buch 
        von Hoffnung und Widerstand. Ein Kommentar" (Luzern 1996) vor. [zurück] [26] 
        Eke, Norbert Otto: Heiner Müller. Apokalypse und Utopie. Paderborn [u.a.] 
        1989. (Schriften der Universität/ Gesamthochschule Paderborn. Reihe Sprach- 
        und Literaturwissenschaft. Bd. 11.), S. 198. [zurück] [27] 
        Hörnigk, Frank: "Texte, die auf Geschichte warten ...". Zum Geschichtsbegriff 
        bei Heiner Müller. In: Ders. (Hg.): Heiner Müller. Material. Leipzig 1990, 
        S. 131. [zurück] [28] 
        Vgl. Eckhardt, Thomas: Der Herold der Toten. Geschichte und Politik bei 
        Heiner Müller. Frankfurt a.M. u.a. 1992. (Europäische Hochschulschriften. 
        Reihe I Bd. 1335.), S. 29. Walter Benjamin vertritt als politische Handlungsmaxime 
        in seiner XII. geschichtsphilosophischen These eine Politik eingedenk 
        des "Bild[es] der geknechteten Vorfahren" im Gegensatz zum sozialdemokratischen 
        "Ideal der befreiten Enkel". Ausführlicher zu der Beziehung zwischen 
        Walter Benjamin und Heiner Müller vgl. Eckhardt, Thomas: Der Herold der 
        Toten. Geschichte und Politik bei Heiner Müller. Frankfurt a.M. u.a. 1992. 
        (Europäische Hochschulschriften. Reihe I Bd. 1335.), S. 25-44; zum Geschichtsbegriff 
        Heiner Müllers vgl. Hörnigk, Frank: "Texte, die auf Geschichte warten 
        ...". Zum Geschichtsbegriff bei Heiner Müller. In: Ders. (Hrsg.): Heiner 
        Müller. Material. Leipzig 1990, S. 123-137. [zurück] [29] 
        Vgl. Eckhardt, Thomas: Der Herold der Toten. Geschichte und Politik bei 
        Heiner Müller. Frankfurt a.M. u.a. 1992. (Europäische Hochschulschriften. 
        Reihe I Bd. 1335.), S. 12. [zurück] [30] 
        Müller, Heiner: Was ein Kunstwerk kann, ist die Sehnsucht wecken nach 
        einem anderen Zustand der Welt. Ein Gespräch mit Urs Jenny und Hellmuth 
        Karasek über VERKOMMENES UFER, den Voyeurismus und die Aufführungspraxis 
        in beiden deutschen Staaten. [1983] In: Müller, Heiner: Gesammelte Irrtümer: 
        Interviews. Frankfurt a.M. 1986, S. 130-140, hier S. 133. [zurück] [31] 
        Hörnigk, Frank: "Texte, die auf Geschichte warten ...". Zum Geschichtsbegriff 
        bei Heiner Müller. In: Ders. (Hrsg.): Heiner Müller. Material. Leipzig 
        1990, S. 128. [zurück] [32] 
        Domdey, Horst: Writer's Block oder "Johannes im Drogenqualm". Heiner 
        Müllers lyrischer Text "Mommsens Block". In: 1945-1995: Fünfzig Jahre 
        deutschsprachige Literatur in Aspekten. Hrsg. v. Gerhard P. Knapp und 
        Gerd Labroisse. Amsterdam/ Atlanta 1995, S. 639. [zurück] [33] 
        Domdey, Horst: Writer's Block oder "Johannes im Drogenqualm". Heiner 
        Müllers lyrischer Text "Mommsens Block". In: 1945-1995: Fünfzig Jahre 
        deutschsprachige Literatur in Aspekten. Hrsg. v. Gerhard P. Knapp und 
        Gerd Labroisse. Amsterdam/ Atlanta 1995, S. 641. [zurück] [34] 
        Tschapke, Reinhard: Heiner Müller. Berlin 1996, S. 89. [zurück] [35] 
        Ebrecht, Katharina: Heiner Müllers Lyrik. Quellen und Vorbilder. Würzburg 
        2001, S. 143 und S. 149. [zurück] [36] 
        Vgl. resümierend Hauschild, Jan-Christoph: Heiner Müller oder Das Prinzip 
        Zweifel. Berlin 2001, S. 484 f. [zurück] [37] 
        Die Büste von Theoder Mommsen wurde zu DDR-Zeiten durch die Büste von 
        Karl Marx ersetzt und nach der Wiedervereinigung wieder auf den Denkmalssockel 
        gesetzt. Vgl. Ernst, Wolfgang (Hrsg.): Die Unschreibbarkeit von Imperien. 
        Theodor Mommsens Römische Kaisergeschichte und Heiner Müllers Echo. Weimar 
        1995, S. 28-36. [zurück] [38] 
        Im Englischen kommt die Doppelbildlichkeit des Begriffes "Block" 
        noch unmittelbarer zum Ausdruck: „The block" bedeutet sowohl "Block" 
        als auch "Blockade" bzw. "Verstopfung". [zurück] [39] 
        Die in Majuskeln gesetzten Nachrichten sind entweder direkte bzw. leicht 
        modifizierte Originalzitate Mommsens oder aber Zitate seiner Zeitgenossen 
        zu der Diskussion um den IV. Band der "Römischen Geschichte". Vgl. 
        dazu Demandt, Alexander: Einleitung. In: Mommsen, Theodor: Römische Kaisergeschichte. 
        Nach den Vorlesungsmitschriften von Sebastian und Paul Hensel 1882/86. 
        Hrsg. v. Barbara Demandt und Alexander Demandt. München 1992, S. 15-25 
        und: Domdey, Horst: Writer's Block oder "Johannes im Drogenqualm". 
        Heiner Müllers lyrischer Text "Mommsens Block". In: 1945-1995: Fünfzig 
        Jahre deutschsprachige Literatur in Aspekten. Hrsg. v. Gerhard P. Knapp 
        und Gerd Labroisse. Amsterdam/ Atlanta 1995, S. 633. [zurück] [40] 
        Vgl. Schlich, Jutta: A propos Weltuntergang. Zu Heiner Müller u.a. Heidelberg 
        1996, S. 95. [zurück] [41] 
        Schlich, Jutta: A propos Weltuntergang. Zu Heiner Müller u.a. Heidelberg 
        1996, S. 96. [zurück] [42] 
        "Anti-Ödipus" erschien erstmals 1972 als erster und "Tausend 
        Plateaus" 1980 als zweiter Band von "Kapitalismus und Schizophrenie". 
        [zurück] 
         [43] 
        Vgl. Deleuze, Gilles/ Guattari, Felix: Rhizom [1976]. Berlin 1977. [zurück] [44] 
        Welsch, Wolfgang: Vernunft. Die zeitgenössische Vernunftkritik und das 
        Konzept der transversalen Vernunft. Frankfurt a.M. 1996, S. 361. [zurück] [45] 
        Deleuze, Gilles/ Guattari, Felix: Rhizom [1976]. Berlin 1977, S. 35. Auf 
        die politische Rezeption des rhizomatischen Denkens als Widerstandsstrategie 
        gegen Totalität und Atomisierung verweisen Altwegg, Jürg/Schmidt, Aurel: 
        Französische Denker des 20. Jahrhunderts. 20 Portraits. München 1987, 
        S. 67. [zurück] [46] 
        Im Verlauf der Podiumsdiskussion "Über die (Un)Schreibbarkeit von 
        Imperien als Literatur" [in: Ernst, Wolfgang (Hrsg.): Die Unschreibbarkeit 
        von Imperien. Theodor Mommsens Römische Kaisergeschichte und Heiner Müllers 
        Echo. Weimar 1995, S. 65-97] bezeichnet Heiner Müller es als große Schwierigkeit, 
        angesichts der historischen Entwicklung Dialoge zu denken: "Ich merke 
        immer wieder, wie schwer es ist, über Geschichte zu schreiben. Es fallen 
        einem keine Dialoge mehr ein." (S. 81) [zurück] [47] 
        Müller, Heiner: Aus der Akademie der Künste zu Berlin. Was wird aus dem 
        größeren Deutschland? Fragen von Alexander Weigel. In: Sinn und Form 43, 
        2 (1991), S. 666-669, hier S. 667. [zurück] [48] 
        Hauschild, Jan-Christoph: Heiner Müller oder Das Prinzip Zweifel. Berlin 
        2001, S. 499. [zurück] [49] 
        Herzinger, Richard: Der Tod ist die Maske der Utopie. Heiner Müller und 
        die Mission des romantischen Modernismus. In: Text und Kritik 73: Heiner 
        Müller. Hrsg. v. Heinz Ludwig Arnold. München (2) 1997, S. 51-71, hier 
        S. 68. [zurück] [50] 
        Vgl. Ernst, Wolfgang (Hrsg.): Die Unschreibbarkeit von Imperien. Theodor 
        Mommsens Römische Kaisergeschichte und Heiner Müllers Echo. Weimar 1995, 
        S. 35. [zurück] [51] 
        Müller, Heiner: Die Wunde Woyzeck [1985]. In: Müller, Heiner: Shakespeare 
        Factory 2. Berlin 1989, S. 261-263, hier S. 263; vgl. auch Labroisse, 
        Gerd: Heiner Müllers 'Endzeit' oder Wie die Wirklichkeit den Schriftsteller 
        verrät. In: Im Blick behalten: Lyrik der DDR. Neue Beiträge des Forschungsprojekts 
        DDR-Literatur an der Vrije Universiteit Amsterdam. Hrsg. v. Gerd Labroisse 
        und Anthonya Visser. Amsterdam/ Atlanta 1994, S. 229-247, hier S. 237. 
        [zurück] 
         [52] 
        Ebrecht, Katharina: Heiner Müllers Lyrik. Quellen und Vorbilder. Würzburg 
        2001, S. 149. [zurück] [53] 
        Assheuer, Thomas: Der böse Engel. Heiner Müller und die Geschichte: Walzer 
        im Schlachthaus. In: Frankfurter Rundschau vom 02. 01. 1996, S. 9. [zurück] |